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Die Cloud als Enabler: Der Aufstieg des Internet of Things

#3 der Blogserie zur Konferenz „Herausforderung Cloud und Crowd – Plattformen, Wertschöpfungssysteme und Organisation von Arbeit nachhaltig gestalten“ am 21.3.2017 in München

Beitrag von Alexander Ziegler, Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.

Die Objekte der materiell-stofflichen Welt mit Mini-Computern auszustatten, mit dem Internet zu verbinden und im Verbund mit Software „intelligente“ Anwendungen zur Verfügung zu stellen: darum geht es im engeren Sinne bei der Vision des Internet of Things (IoT). Von alltäglichen Gegenständen im Haushalt über die Produktionsprozesse in den Unternehmen bis hin zur Smart City sind die unterschiedlichsten Anwendungsszenarien denkbar. Aktuell erfahren IoT-Anwendungen sowohl im Unternehmenskontext als auch in den Consumer-Bereichen eine enorme Verbreitung und bringen etablierte Märkte und stabile Branchen in Bewegung. Von den Playern des Silicon Valley bis hin zu Industriekonzernen wie Bosch oder Siemens versuchen immer mehr Unternehmen sich auf diesem neuen Feld zu platzieren und mit innovativen Ansätzen neue Geschäftsfelder zu erschließen. Bis zum Jahr 2020, so wird erwartet, werden weltweit schon 20 Milliarden Geräte mit dem Internet verbunden sein. Angesichts dieser Entwicklung, die sich auch in den Strategien unserer Partnerunternehmen widerspiegelt, lautet eine zentrale Fragen in der explorativen Phase unseres Projekts „Herausforderung Cloud und Crowd“: Was steckt hinter diesem rasanten Aufstieg des IoT?

Blickt man auf die kurze Geschichte des IoT, so ist auf den ersten Blick bemerkenswert, dass sich die Experten des am MIT in Cambridge (MA) eingerichteten Auto-ID-Center, einer zentralen Brutstätte für die Vision des IoT, noch kaum mit dem Internet beschäftigten. Als der Begriff des Internet of Things im Jahr 1999 aus der Taufe gehoben wurde, ging es dort vielmehr darum, eine offene Referenzarchitektur für die unternehmensübergreifende Nutzung von RFID-Technologie aufzubauen, durch die über elektromagnetische Wellen mit Transpondern versehene Gegenstände eindeutig identifiziert werden können. Auf dieser Grundlage konnten zum Beispiel im Bereich der Logistik erste RFID-Netze etabliert werden, mit dem Ziel Warenströme und Lieferketten zu optimieren. Um von RFID-Netzen zu den potenten Anwendungen des gegenwärtigen IoT zu gelangen, mussten allerdings noch große technologische Herausforderungen gemeistert werden.

Auf der Ebene der Hardware hat zweifelsohne die rasante Entwicklung der Mikroelektronik wichtige Grundlagen geschaffen. Wie in Moore’s Law antizipiert, nehmen nicht nur die Herstellungskosten der Hardware weiter rapide ab, sondern die Geräte können gerade auch aufgrund entscheidender Fortschritte auf dem Feld der mikromechanischen Sensorik mit immer kleineren und leistungsfähigeren Mikrochips und Sensoren ausgestattet werden. Ebenso ermöglicht unter anderem die Entwicklung neuer Funkprotokolle wie ZigBee oder Bluetooth die kontinuierliche Verbesserung der Datenübertragungsraten und der Netzwerkkonnektivität. So werden nicht nur die Datenströme immer schneller. Auch der Datentransfer und die Einspeisung ins Internet werden zuverlässiger. Dennoch bleiben sowohl die Speicher- als auch die Rechenkapazitäten der Mini-Computer beziehungsweise der in den Unternehmen verfügbaren Server, an die diese Mini-Computer ihre Daten übermitteln, stark eingeschränkt. Zumal gerade die Mini-Computer häufig nicht an eine Steckdose angeschlossen sind und sehr energieeffizient betrieben werden müssen. Weil die unterschiedlichen Geräte und Objekte zudem kaum einheitliche Kommunikationsstandards und Datenformate verwenden, wird ihre Vernetzung und die Verarbeitung der unterschiedlichen Daten ohne eine entsprechende Middleware zur Sisyphos-Arbeit. Und auch ressourcenintensive Sicherheitsverfahren, über die Daten verschlüsselt und zum Beispiel Industriespionage verhindert werden kann, können in den traditionellen Netzwerken kaum angewendet werden.

Erst auf der Grundlage einer cloudbasierten IT-Infrastruktur konnte mit der Lösung dieser Problemstellungen begonnen werden, die einer Umsetzung der IoT-Vision im Wege standen. Die Cloud bietet flexibel skalierbare Speicher- und Rechenkapazitäten, um die gigantische Menge strukturierter, unstrukturierter und in hoher Frequenz erzeugter Daten zusammenzuführen und zu analysieren, die für IoT-Anwendungen wie Machine Learning, präventive Instandhaltung oder datenunterstützte Entscheidungsfindung benötigt werden. Einmal in der Cloud können zudem die unterschiedlichsten Datentypen, die von den heterogenen Objekten, Technologien und Protokollen aber auch von Personen generiert werden, über standardisierte Schnittstellen plötzlich aufeinander bezogen werden. In geschlossenen Systemen wäre diese Komplexität kaum bearbeitbar. Zudem kann der Zugriff auf die Daten radikal vereinfacht und von überall her erfolgen, sodass ganze Ecosysteme entstehen können, die die Daten für die Entwicklung von Anwendungen verwenden. Die Cloud stellt so eine IT-Infrastruktur bereit, die die Basis für den Aufstieg des Internet of Things bildet. In den letzten Jahren ist sie zur zentralen Middleware des IoT avanciert und fungiert dabei als Transmissionsriemen zur Anwendungsebene und zu Big Data-Frameworks. Die Informatik-Szene reflektiert diese zentrale Verbindung zwischen Cloud und Internet of Things schon länger. Bereits vor fünf Jahren plädierte etwa Pritee Parwekar dafür, statt von IoT von „Cloud of Things“ zu sprechen. Alessio Botta u.a. von der Universität Neapel wiederum nehmen die technologische Komplementarität von Cloud und IoT zum Ausgangspunkt, um den Begriff des „Cloud-IoT-Paradigma“ zu prägen. Dieses neue Paradigma hat aus ihrer Perspektive das Potenzial, das gegenwärtige und künftige Internet disruptiv zu verändern.

Aus unserer Sicht besteht allerdings noch ein weiterer zentraler Zusammenhang von IoT und Cloud, der über diese Komplementarität auf der technologischen Ebene weit hinausreicht. Auf der Basis von Cloud entsteht in den Vorreiterunternehmen aktuell eine neue Leitvorstellung – in Anlehnung an den US-amerikanischen Wissenschaftsphilosophen T.S. Kuhn und die Innovationsforschung sprechen wir vom Paradigma der Cloud – dafür, wie die Potenziale dieser prinzipiell offenen und weltweit skalierbaren IT-Infrastruktur nicht nur für die Gestaltung völlig neuartiger Geschäftsmodelle, sondern auch für Wertschöpfungssysteme und für die Organisation von Arbeit genutzt werden kann. Ausgehend von der Idee der „Wolke“ steht das Prinzip des „offenen Raumes“ im Zentrum dieser neuen Leitvorstellung.

Auch die Innovationbemühungen im IoT-Umfeld orientieren sich immer häufiger an dieser neuen Leitvorstellung. Vorreiterunternehmen setzen nicht darauf, komplexe IoT-Anwendungen alleine zu entwickeln. Über den Aufbau von Cloud-Plattformen, auf die jeder von überallher zugreifen kann, schaffen sie offene Räume, in denen unterschiedliche Akteure gemeinsam an der Entwicklung von IoT-Anwendungen arbeiten können. IoT-Anwendungen nehmen dabei immer mehr die Form der aus der Webentwicklung bekannten Mashups an: bereits existierende Algorithmen, Services und Technologien unterschiedlichster Produzenten werden über offene Programmierschnittstellen in der Cloud wie in einer Kollage integriert und erzeugen so eine neue Anwendung für einen konkreten IoT-Use-Case. Häufig engagieren sich die Unternehmen daher auch in Konsortien und Open-Source-Projekten, um die Entwicklung offener Standards voranzutreiben und das Internet of Things als offenen Raum auszugestalten. Denn nur als offener Raum kommen die Potenziale des IoT voll zur Geltung.

Das Beispiel von Amazon.com macht deutlich, was es heißt, wenn sich die Unternehmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im IoT von der Leitvorstellung der Cloud als offenem Raum leiten lassen. Amazon.com hat mit „Alexa“ ein sprachbasiertes User Interface entwickelt, das gänzlich ohne Bildschirm auskommt und auf immer mehr „smarten“ Gegenständen von unterschiedlichen Anbietern eingesetzt wird. Der Code von „Alexa“ läuft vollständig in der Cloud und nicht auf den Geräten, auf denen es installiert ist. Mehr noch: „Alexa“ ist als Plattform konzipiert. Über standardisierte Programmierschnittstellen, die Entwicklern als Cloud-Services kostenlos zur Verfügung gestellt werden, können Unternehmen „Alexa“ in ihrer Produkte integrieren und zusätzliche Funktionalitäten entwickeln. Die Öffnung der Plattform erhöht die Funktionalität und die Anwendungsmöglichkeiten des Systems. Hiervon profitiert wiederum das Produkt selbst. Nachdem es Microsoft mit Windows gelungen ist, das User Interface der PC-Ära zu kontrollieren, iOS von Apple und android von Google noch um die Kontrolle des User Interface der Smartphone-Ära ringen, schickt sich Amazon.com nun mit „Alexa“ an, die Cloud für den Aufbau der zentralen Plattform zu nutzen, durch die es die Kontrolle über das User Interface für den Consumer-Bereich des IoT anstrebt. Noch ist allerdings offen, ob der Plan von Amazon.com aufgeht und es gelingt, diese strategische Position in den Wertschöpfungssystemen des IoT zu besetzen.

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Inhalte dürfen ausschließlich unter Angabe der Quelle verwendet werden:

Ziegler, Alexander (2017): Die Cloud als Enabler: Der Aufstieg des Internet of Things. München. Online verfügbar unter https://idguzda.de/blog/die-cloud-als-enabler-der-aufstieg-des-internet-of-things/ [15.03.2017].

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