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Guter Service, Gute Arbeit: Eine Highroad-Strategie für den Kundenservice

#4 der Blogserie zur Konferenz „Herausforderung Cloud und Crowd – Plattformen, Wertschöpfungssysteme und Organisation von Arbeit nachhaltig gestalten“ am 21.3.2017 in München

 

Beitrag von Sarah Bormann, Bereich Innovation und Gute Arbeit, ver.di – Bundesverwaltung

Beschäftigte in Call- und Servicecentern arbeiten an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden. Sie beraten und besänftigen, sie verkaufen und verwalten. In der Regel sind sie gut qualifiziert und verfügen über hohe kommunikative Fähigkeiten. Was bedeutet es für die Arbeit der Kundenberaterinnen und Kundenberater, wenn Software-Roboter eingesetzt werden, Maschinen mit Menschen kommunizieren und Entscheidungen von einer Software gesteuert werden?

Auf der CCW, der Messe rund um Kundenservice, Kommunikation und Contact Center, präsentierten die Aussteller letzten Monat ihre Zukunftsvisionen. Ein Softwareanbieter versprach Selfservice-Raten von bis zu 95 Prozent. Ein externes Call-Center lockte seine Auftraggeber damit, dass sie stetig daran arbeiten würden, die Anzahl ihrer Agenten zu reduzieren. Ziel sei es, teure menschliche Kontakte durch den Anteil billiger digitaler Kontakte zu ersetzen. Ist nun dies die Zukunft des Kundenservice?

Bislang diskutieren Unternehmen den Einsatz digitaler Technologien meist unter dem Blickpunkt der Kostenführerschaft. Ob und wie im Zuge der digitalen Transformation die Qualität des Kundenservice und die Arbeitsbedingungen der Kundenberaterinnen und Kundenberater verbessert werden könnten, steht hingegen viel zu selten im Fokus strategischer Überlegungen. Dabei gibt es genügend Gründe über diese Potenziale nachzudenken: So weisen Beschäftigte in Call- und Servicecentern nicht nur eine der höchsten Anzahl von krankheitsbedingten Fehltagen im Jahr auf, sondern sie erkranken auch überdurchschnittlich oft an Depressionen. Dies schadet nicht nur massiv den Beschäftigten, sondern beeinträchtigt auch den Unternehmenserfolg. Ein weiteres Motiv ist die Kundenbindung. Denn Kundinnen und Kunden verhalten sich heute weniger loyal und wechseln per Mausklick den Anbieter. Insbesondere auf stark umkämpften Märkten bietet ein qualitativ hochwertiger Service Unternehmen die Möglichkeit, sich von den Wettbewerbern zu differenzieren und neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen.

Auch als Gewerkschaft haben wir eine Zukunftsvision für den Kundenservice. Schließlich wollen wir digitale Innovationen nicht aufhalten, sondern sie aktiv mitgestalten. Unsere Zukunftsvision ist eine Highroad-Strategie, welche die Potenziale der Digitalisierung nutzt, damit die Beschäftigten einen hochwertigen Service unter Bedingungen Guter Arbeit erbringen können. Ansatzpunkte hierfür sind vorhanden. Zum Beispiel kann durch ein optimiertes Rootingverfahren heute bei einer erneuten Kontaktaufnahme durch die Kundin, diese direkt dem Berater zugeteilt werden, der ihren Fall zuletzt bearbeitet hat. Dies gestaltet den Kontakt persönlicher, erlaubt es dem Berater, einen Fall abschließend zu bearbeiten und reduziert den Missmut der Kundin darüber, ihr Anliegen immer wieder erneut vortragen zu müssen. Ist dies nicht möglich, weil der Berater zum Beispiel gerade im Urlaub ist, steht dennoch die gesamte Kundenhistorie unabhängig vom Touchpoint dem jeweiligen Berater auf einen Blick zur Verfügung.

Damit die Chancen der Digitalisierung für eine hohe Qualität und gleichzeitig gute Arbeitsbedingungen zum Tragen kommen, sind insbesondere drei Aspekte zu berücksichtigen. Erstens müssen die Unternehmen in diesem Prozess die Beschäftigten mitnehmen. Sie müssen sie umfassend informieren und aufklären und vorausschauend qualifizieren. Dabei sollten sie unterschiedliche Tempi und Formen des Lernens berücksichtigen. Zweitens muss im Sinne einer ausgewogenen Mischarbeit darauf geachtet werden, dass die Tätigkeiten abwechslungsreich sind. Kein Mitarbeiter kann durchgehend telefonieren oder chatten. Es bedarf Unterbrechungen in der permanenten Interaktion mit den Kundinnen und Kunden. Dies gilt insbesondere, wenn Software-Roboter monotone, repetitive Tätigkeiten wegrationalisieren. Gleichzeitig bietet aber die neue Vielfalt digitaler Kundenkanäle durchaus neue Möglichkeiten, um zum Beispiel einer zu starken Belastung der Stimme durch den Wechsel des Kundenkanals vorzubeugen. Warum sollten in Zukunft nicht auch die Beschäftigten Einfluss auf das Rootingverfahren nehmen können? Nicht zuletzt sollten Unternehmen teilautomatisierte Prozesse einsetzen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Erbringung eines hochwertigen Service zu unterstützen, nicht aber um ihre Handlungs- und Entscheidungsspielräume weiter einzuschränken.

Und bei dieser ganzen Entwicklung darf man nicht aus den Augen verlieren, dass sich in Zukunft auch die Erwartungen der Kundinnen und Kunden verändern werden. Während sie in der Vergangenheit bei einer Nachfrage quasi blind zum Hörer griffen, entscheiden sie sich in Zukunft bewusst für einen menschlichen Kontakt und knüpfen folglich an eine persönliche Beratung auch spezifische Erwartungen. Sie wollen, dass die Beraterinnen und Berater auf ihre Situation individuell eingehen und eine Lösung für ihre speziellen Probleme finden. Dabei spielen der Aufbau von Vertrauen und Anteilnahme eine große Rolle. Kundenberaterinnen und Kundenberater können dies nicht leisten, wenn ihre Fragen und Antworten durch eine Software gesteuert werden. Guter Service und Gute Arbeit sind kein Selbstläufer, es gibt aber ausreichend Ansatzpunkte, um eine Highroad-Strategie erfolgreich zu gestalten statt einseitig auf eine Kostenführerschaft zu Lasten des Service und der Beschäftigten zu setzen.

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Inhalte dürfen ausschließlich unter Angabe der Quelle verwendet werden:

Bormann, Sarah (2017): Guter Service, Gute Arbeit: Eine Highroad-Strategie für den Kundenservice. Berlin. Online verfügbar unter https://idguzda.de/blog/guter-service-gute-arbeit-eine-highroad-strategie-fuer-den-kundenservice/ [17.03.2017].

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