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Marktplätze für Arbeit – disruptiver Wandel in der Organisation hochqualifizierter Arbeit

ebay war eines der ersten Unternehmen mit Plattform-Strategie (Katherine Welles / Shutterstock.com).

ebay war eines der ersten Unternehmen mit Plattform-Strategie (Katherine Welles / Shutterstock.com).

Das Silicon Valley steht für disruptive Veränderung. Am besten lässt sich dies anhand der Geschichte eines Start-Up-Gründers verdeutlichen, der bei der Präsentation seiner Geschäftsidee von Investoren darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er für seine Idee mehr Geld fordern müsse, denn entscheidend sei „groß zu denken“. Diese Vorstellung von der Eroberung der Welt prägt das Valley. Eine besondere Bedeutung kommt dabei Plattform-Strategien zu. Aktuelle Beispiele hierfür sind Uber und Airbnb, die mit ihren Geschäftsstrategien weltweit für Furore sorgen, traditionelle Anbieter und die gesamte Branche unter Druck bringen und gleichzeitig tradierte Regulationen in Frage stellen. Wenn sich eine Plattform auf dem Markt durchsetzt, dann bildet sie den Knotenpunkt, um den herum sich die Wertschöpfungsketten strukturieren. Sie hat damit das Potenzial traditionelle Märkte strukturell zu verändern.

Wir hatten die Gelegenheit im Silicon Valley ein Start-Up kennenzulernen, das mit seiner Crowdsourcing-Plattform für hochqualifizierte Kopfarbeit das Potenzial hat, die Organisation von Arbeit disruptiv zu verändern. Kernmoment des Geschäftsmodells ist die Bereitstellung einer Plattform auf der Unternehmen Aufträge an die global verteilten Mitglieder ausschreiben können. Die Aufträge werden in kleinteilige Arbeitspakete zerlegt und nach dem Wettbewerbsprinzip von den Mitgliedern bearbeitet – ohne jegliche vertragliche Bindung. Nur die beste Lösung wird prämiert, die Mitstreiter gehen leer aus. Während es bei anderen Plattformen, wie ebay, Uber etc. um die Vermittlung von Waren oder Dienstleistungen geht, so handelt es sich hier um einen „marketplace“ für Arbeit und die strategische Nutzung der global verteilten Arbeitskraftressourcen.

Zentrales Moment dieser neuen Form der Vermittlung von Arbeit, ist die Auseinandersetzung mit der Frage, wie hochqualifizierte Kopfarbeit organisiert und die Crowd als unstrukturierte und ungebundene Arbeitskraftressource formiert werden kann. Der Schlüssel dieser Organisation von Arbeit ist die radikale Industrialisierung hochqualifizierter Kopfarbeit. Lange war es undenkbar, dass auch komplexe Kopfarbeit atomisiert und vermittelst eines Marktplatzes an global verteilte Mitglieder vergeben werden kann, die diese dann einzeln bearbeiten, bevor die einzelnen Bausteine am Ende wieder zusammengefügt werden.

Das Zauberwort für die Organisation der unbestimmten Menge an Mitgliedern, die über die ganze Welt verstreut durch die Plattform zu einer neuartigen Produktivkraft organisiert werden, ist „competition“, also Wettbewerb. Hier macht das Unternehmen Anleihen bei den modernen Computerspielen im Internet. Die Mitglieder erhalten für ihre eingereichten Beiträge Punkte, die in ihre Leistungsbewertung eingehen, wodurch jederzeit einsehbar ist, wo jemand im Vergleich zu allen anderen steht. Interessant ist dabei, dass zwar jeder gegen jeden antritt, aber trotz allem der Community-Gedanke aufrecht erhalten wird. Angestrebt wird also eine Verbindung von Wettbewerb und Kooperation – „coopetition“, wie das hier genannt wird.

Diese neue Organisation von Arbeit, die wir hier kennen gelernt haben, birgt disruptives Potenzial. Wenn Uber und Airbnb neu über Mobilität und Unterbringung nachdenken und mit ihrem Geschäftsmodell traditionelle Anbieter und die Organisation und Regulation des Taxi- und Hotelgewerbes unterminieren, so tut dies diese Crowdsourcing-Plattform mit Blick auf die Organisation von Arbeit. An diesem Unternehmen kann man exemplarisch studieren, wie eine radikale Industrialisierung von hochqualifizierter Kopfarbeit funktionieren könnte und wie kleinteilige Arbeitspakete von global verteilten Arbeitskräften bearbeitet werden können. Dabei ist das Besondere, dass diese „Crowdsourcees“ nicht als Arbeitnehmer bei einem Unternehmen fest angestellt werden.

Die dahinter stehende Leitvision wurde von einem Interviewpartner anhand der Filmbranche verdeutlicht. Ebenso wie bei der Zusammenstellung der Mannschaft bei einem Filmprojekt, sollen die global verteilten Mitglieder je nach Bedarf fluide organisiert werden. Unternehmen können aus einem Pool global verteilter Arbeitskräfte mit spezifischen Qualifikationen schöpfen, ohne sich langfristig an diese zu binden.

Gegenwärtig können wir nicht absehen, ob sich dieses Modell der Organisation von Arbeit wirklich nachhaltig stabilisieren lässt. Nach unserer Einschätzung spricht einiges dafür. Damit entsteht aber ähnlich wie bei Uber und Airbnb eine Konstellation, wo historisch entstandene Rechtssysteme unter den Druck des Marktes kommen und damit Gefahr laufen, quasi unter der Hand außer Kraft gesetzt zu werden. In diesem Fall geht es darum, dass die Bindungen zwischen Unternehmen und Beschäftigten radikal gelockert werden. Das kann auf die Innovationsfähigkeit der Unternehmen durchschlagen. Es kann vor allem aber die Schutzbedürfnisse der Beschäftigten unterminieren. Denn die Mitglieder auf der Plattform werden nicht als Arbeitnehmer behandelt. Sie werden vielmehr, mit weit weniger Rechten ausgestattet, in einen Wettbewerb mit den fest angestellten Mitarbeitern geschickt. Damit wird auch der Arbeitnehmer-Status der Beschäftigten im Unternehmen permanent zur Disposition gestellt. In diesem Sinne stehen wir vor großen Herausforderungen. Vor allem geht es darum, den disruptiven Wandel nicht einfach geschehen zu lassen, sondern ihn in geltende Werte- und Normensysteme der Gesellschaften einzufügen. Dabei wird die Ausgestaltung der sozialen Rahmenbedingungen eine der größten Herausforderungen sein.

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