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Können Tanker disruptiv werden?

Wie gestalten etablierte Unternehmen (disruptive) Innovationen? Auf Einladung des Munich Center for Internet Research (MCIR) haben die Robert Bosch GmbH, SAP SE und Siemens AG im Rahmen einer hochkarätig besetzten Diskussionsveranstaltung  ihre Konzepte erklärt.

Seit wir letzten Herbst aus dem Silicon Valley zurückgekommen sind, treibt uns die Frage um, welche Bedeutung disruptive Innovationen für Deutschland haben. Vergangene Woche stand sie im Zentrum der Veranstaltung „Können Tanker disruptiv werden?“ am Munich Center for Internet Research (MCIR). Klar ist, dass wir uns dieser Frage nicht mehr entziehen können. Denn kein Geschäft ist mehr sicher. In allen wichtigen Branchen ist mit disruptiven Veränderungen zu rechnen. Sie werden über Jahrzehnte gewachsene Marktstrukturen über den Haufen werfen. Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung in der Automobilindustrie zeigt, wie weitreichend die hier zur Debatte stehenden Umbrüche sind.

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Woran liegt es, dass die Firmen des Silicon Valley, die in ihrer großen Mehrzahl erst seit den 1990er Jahren mit dem Internet groß geworden sind, heute bereits zu den kapitalstärksten Unternehmen der Welt zählen? Lange Zeit haben sich diese Unternehmen „nur“ im Internet getummelt und dort – scheinbar an der Peripherie der Wirtschaft – neue Geschäftsmodelle entwickelt. Mittlerweile hat sich aber das Internet zum Zentrum der digitalen Transformation gemausert. Aus einer bloß technischen Infrastruktur für Technik-Nerds ist ein neuer globaler Handlungsraum geworden, den die Internetunternehmen im Silicon Valley radikal nutzen.

Aus diesem Informationsraum heraus machen sie den gestandenen Unternehmen in den klassischen Industrie- und Dienstleistungsbranchen in ihrem Kerngeschäft Konkurrenz. Unter diesem Eindruck hat sich auch Christoph Keese nach seiner Rückkehr aus dem Valley die Frage gestellt, „kann Deutschland disruptive Innovation“ ? Er kommt zu der Einschätzung, dass „Disruption“ in etablierten Unternehmen nicht funktioniere und allzu häufig zur „Innovation“ verkomme. Die Idee, die die Spielregeln in einem Marktsegment auf den Kopf stelle, komme fast zwangsläufig von außen.

Wie also sind die Aussichten für etablierte Unternehmen, die den digitalen Umbruch in Angriff nehmen? Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Internet und Gesellschaft“ am MCIR haben wir diese fundamentale Zukunftsfrage zum Gegenstand der Diskussion in einer breiten Öffentlichkeit gemacht. Im Austausch mit Managern der Robert Bosch GmbH, der Siemens AG und der SAP SE wollten wir mehr über die Strategien etablierter Großkonzerne wissen. „Kann ein Tanker disruptiv werden? Oder: Wie bewältigen erfolgreiche Unternehmen den digitalen Umbruch in Wirtschaft und Gesellschaft?“: Diese Fragestellung diskutierten unter Moderation von PD Dr. Andreas Boes Keynote-Sprecher Dr.-Ing. Rainer Kallenbach, CEO der Bosch Software Innovations GmbH, Dr. Rudolf Freytag, CEO der Siemens Innovative Ventures, Dr. Joachim Schnitter von der SAP SE und Dr. Markus Anding, CEO der Excubate GmbH. Es ist spannend zu sehen, wie diese erfolgreichen Unternehmen sich der Herausforderung disruptiver Innovation stellen, und welche Strategien sie entwickeln, um den Spagat zwischen Innovation und Stabilität zu meistern. Die Diskussionsbeiträge lieferten hier einige interessante Einblicke.

Aus Sicht von Bosch besteht die zentrale Neuerung des gegenwärtigen Umbruchs in einer neuen Qualität der Vernetzung (Stichwort: Connected World). Nicht nur Menschen und Unternehmen sondern auch immer mehr Dinge werden im „Internet of Things“ vernetzt. Rainer Kallenbach zeigte in seiner Keynote, wie diese Entwicklung sämtliche Geschäftsfelder im Boschkonzern transformiert. Bereits seit Mitte des letzten Jahrzehnts hat Bosch deshalb damit begonnen, sich systematisch auf die Transformation einzustellen. Ein wichtiges Element für die strategische Neuausrichtung ist aus seiner Sicht die Gründung von Start-ups im Konzern. Die „Bosch Software Innovations GmbH“ steht exemplarisch für diesen Weg. In diesem Start-up wird mit der “IoT Suite” zum Beispiel eine Software-Plattform entwickelt, über die internetfähige Geräte verknüpft werden und miteinander interagieren können. Sie bildet die Basis für die Vernetzung von Wertschöpfungsketten und die Entwicklung neuer vernetzter Geschäftsmodelle in unterschiedlichen Geschäftsfeldern des Konzerns.

Siemens hat mit der „Siemens Innovative Ventures“ einen Bereich eingerichtet, der eine systematische Zusammenarbeit zwischen Kerngeschäftsbereichen des Konzerns und innovativen Start-ups organisiert. Rudolf Freytag hat an drei Beispielen verdeutlicht, welche Formen diese Kooperation annehmen kann: Erstens setzt Siemens analog zu Bosch darauf, unabhängige Startups außerhalb der Kerngeschäftsfelder zu gründen, um dort disruptive Innovationen voranzutreiben. Zweitens stattet Siemens externe Start-ups, die innovative Geschäftsideen haben, mit Technologie aus und hilft ihnen damit, mit ihrem Geschäftsmodell deutlich schneller auf den Markt zu gehen. Drittens unterstützt Siemens Start-ups darin, neue Geschäftspotenziale für deren disruptive Technologien zu entdecken.

Die SAP SE wiederum ist 1972 selbst mit einer disruptiven Innovation entstanden. Fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter haben gemeinsam ein Unternehmen aufgebaut, das mit der Entwicklung von Standardsoftware zur Echtzeitverarbeitung von Daten, den Markt für Unternehmenssoftware seinerzeit disruptiv veränderte und zu einem der erfolgreichsten Softwareunternehmen der Welt aufstieg. Um sich auch im gegenwärtigen Umbruch zu behaupten, hat die SAP neben der Zusammenarbeit mit Start-ups und der Integration von Start-ups in das Unternehmen auch die internen Prozesse transformiert, etwa durch eine flächendeckende Einführung agiler Methoden in der Entwicklungsorganisation. So sollen in den Entwicklerteams Lernprozesse beschleunigt und damit das disruptive Potenzial der Mitarbeiter gefördert werden.

Diese Beispiele und die Diskussion in München haben einmal mehr deutlich gemacht, dass die Rede von den disruptiven Innovationen im Gefolge der Verbreitung des Internet und der Digitalisierung sehr ernst zu nehmen ist. Wir müssen lernen, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft neu zu denken, wenn wir in dieser digitalen Transformation wirklich erfolgreich sein wollen. Anders als die Vorreiter des Silicon Valley können wir dabei aber nicht „auf der grünen Wiese“ agieren, sondern müssen etablierte und bislang auch erfolgreiche Unternehmen von Grund auf ändern. Erfolgreich sein in der digitalen Ökonomie heißt dabei nicht, alles über den Haufen zu werfen, sondern die Stärken gewachsener Sozialbeziehungen zu nutzen, um einen disruptiven Wandel zu erreichen. Agilität avanciert in diesem Zusammenhang zu einem Schlüsselbegriff. Etablierte Unternehmen müssen einerseits lernen, Innovationen von außerhalb agil in ihre Innovationsprozesse einzubinden und für die Weiterentwicklung ihres Geschäfts nutzbar zu machen. Auf der anderen Seite wird aber auch entscheidend sein, das disruptive Potenzial in der Organisation selbst zu mobilisieren und die gewachsenen Organisationsstrukturen in Richtung agiler Organisationen zu verändern.

Unser Laboratorium „Arbeit der Zukunft“, das wir in enger Zusammenarbeit mit der Robert Bosch GmbH entwickelt haben, ist ein ergebnisoffenes Konzept zur Gestaltung der Transformation in den Kerngeschäftsfeldern. Ausgehend von den Veränderungen in der konkreten Arbeitspraxis wollen wir Wege finden, wie ein Unternehmen auch von innen heraus das Potenzial für disruptive Innovationen entwickeln kann und damit die These von Christoph Keese, wonach disruptive Innovationen zwangsläufig von außerhalb kommen müssen, ein stückweit widerlegen. Das Konzept setzt dabei auf die umfassende Beteiligung der Mitarbeiter und der Sozialparteien. Denn auch dies machte die Diskussion deutlich: Wenn wir bei der Bewältigung der digitalen Transformation erfolgreich sein wollen, müssen wir in erster Linie die Menschen gewinnen.

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Inhalte dürfen ausschließlich unter Angabe der Quelle verwendet werden:

IdGuZdA Autorenkollektiv (2016). Können Tanker disruptiv werden? Online verfügbar unter https://idguzda.de/veranstaltungsberichte/koennen-tanker-disruptiv-werden/. [27.04.2016].

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