Cloud, Plattformen und IoT – Neue Geschäftsmodelle im Informationsraum
Silicon Valley ist auf disruptive Innovationen programmiert. Überall spürt man das Bestreben, etwas ganz Neues in den Markt zu bringen, um die Spielregeln eines Segments grundlegend zu verändern und sich an die Spitze der Wertschöpfungsketten in diesem Bereich zu setzen. Und alle, die sich bisher an der Spitze der Wertschöpfungsketten wähnen, sind darauf aus, diese disruptive Veränderung vorauszusehen und ihr Geschäftsmodell frühzeitig darauf einzustellen. Insgesamt ergibt sich so eine extrem dynamische Entwicklung: Mit einer Geschwindigkeit, die selbst die überrascht, die als Entwickler oder Strategen mit diesen Innovationen befasst sind, breiten sich hier neue Trends aus und prägen in nur wenigen Jahren das Alltagsleben der Menschen und das Business der Unternehmen. Das iPhone wird hier als Inbegriff für diese enorme Geschwindigkeit immer wieder angeführt. Es wurde erst im Jahr 2007 eingeführt und hat seitdem den Handymarkt revolutioniert. Heute sind die Smartphones im Alltagsleben allgegenwärtig.
Aber, was sind in diesem dynamischen Gewusel von Buzzwords wirklich die zentralen Trends? Was sind die Themen, die für die Zukunft bestimmend sein werden? Und was ist die „Theorie“, die dafür sorgt, dass alle scheinbar durcheinander laufen und dennoch bestimmte Richtungen befolgen?
Drei Themen hören wir immer wieder in unseren Interviews – egal, wo wir hinkommen: Ganz oben bei den Überlegungen zu neuen Geschäftsmodellen stehen Cloud, Plattformen bzw. Marktplätze und das Internet of Things. Cloud und Plattformen hatten wir so erwartet. Die zentrale Bedeutung von IoT, wie das hier genannt wird, hat uns überrascht. Einige meinen sogar, dass Cloud schon wieder von gestern sei und IoT der neue Mega-Trend.
Das Thema Cloud bringt im Moment viele neue Unternehmen hervor. Und die gestandenen IT-Unternehmen mutieren allesamt zu „Cloud-Companys“. Hier wird das Thema auf zwei Arten thematisiert: Die Angreifer im Markt wie Salesforce, Workday oder Appirio begreifen die Cloud als Basis für gänzlich neue Geschäftsmodelle; die Verteidiger, wie SAP oder Oracle eher als zusätzlichen Distributionskanal für ihre Produkte und Dienstleistungen – sie betonen das Hosting. Die einen bauen ihr Geschäft auf der „grünen Wiese“ neu auf. Die anderen müssen ihre Kunden aus der On-Premise-Ära mitnehmen und in die Cloud migrieren. Beide Gruppen sehen das riesige Standardisierungs- und Automatisierungspotential, das entsteht, wenn Software as a Service im Hostingmodell betrieben wird. Aber in der Radikalität der Nutzung des neuen Paradigmas der Cloud sind sie unterschiedlich: Wir glauben, dass die Angreifer ein enormes Potential haben, denn die Cloud ist als Paradigma genau der Ansatz, der dem Informationsraum in seiner Qualität als offener sozialer Handlungsraum, der alles mit allem vernetzt, gerecht wird. Wir sind aber auch überzeugt, dass das Paradigma der Cloud sich weiterentwickeln wird. Es geht eben nicht primär um „Hosting“, sondern um eine neue Sicht, wie gleichermaßen einfache und agile IT-Infrastrukturen das Unternehmen der Zukunft unterstützen.
Das Thema Plattformen und Marktplätze ist – meist komplementär zum Paradigma der Cloud – ein zweiter zentraler Trend. Egal ob es sich um Start-Ups von acht Personen handelt oder um große Unternehmen wie Amazon oder Google, alle bauen sie Marktplätze für alles Mögliche: Savvy, ein kleines Start-Up im Süden San Franciscos, nutzt den Ansatz um eine Peer-to-Peer-Learning-Plattform zu bauen, Airbnb vermittelt Privatwohnungen auf der ganzen Welt, UBER vermittelt Mobilitätsdienstleistungen und Amazon baut den Verkäufern dieser Welt einen riesigen Marktplatz. Besonders interessant wird dieser Ansatz, wenn Unternehmen wie Salesforce – ein Unternehmen, das mittlerweile mehr als 16.000 Mitarbeiter hat –, Millionen von Entwicklern auf der Welt eine einheitliche Entwicklungsumgebung zur Verfügung stellen, damit sie als Alleinselbständige oder in der Crowd Apps und andere Anwendungen für Kunden bauen können. Bei Appirio und Topcoder haben wir gelernt, mit welchen Ansätzen aus dieser Crowd wiederum eine gut organisierte Produktivkraft gemacht werden kann. Hier entwickeln sich auf der Grundlage des Wettbewerbs und einer „Gamification“ ganz neue Ansätze für die Organisation von Arbeit. Das ist weit mehr als ein einfaches Kostensparmodell durch eine neue Form von Outsourcing.
Ein drittes Thema hat uns in seiner Bedeutung überrascht, das Thema Internet of Things. In Deutschland wird dieses Thema hinter dem Buzzword „Industrie 4.0“ versteckt. Und da diese Diskussion bei uns von den Ingenieuren aus der Produktion bestimmt ist, redet man mehr über Cyber-Physische-Systeme als über Internet der Dinge, obwohl das natürlich zwingend zusammen gehört. Hier im Valley wird die Welt aus der Perspektive des IoT betrachtet, Industrie 4.0 spielt in der Form, wie wir es diskutieren, eine untergeordnete Rolle. Damit richten sich die Innovationen hier auf das Zusammenwirken der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsketten und nicht so sehr auf die Automatisierung in der Fertigung selbst. Daraus resultierend wird das ungeheure Potential dieser Entwicklung erst sichtbar. In dem Maße, wie die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle von den Daten und Informationen her denken, in dem Maße wird das Internet of Things zum zentralen Thema. Das ist die zentrale Bedeutung dieses Ansatzes. Hier entwickelt sich eine ganz neue Sicht auf die digitale Ökonomie, die vor allem die großen Industrieunternehmen und Dienstleistungskonzerne adressiert. Mit dem IoT-Ansatz finden sie einen Zugang, um ihre Prozesse aus der Industriegesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts in die digitale Ökonomie des 21. Jahrhunderts zu migrieren. Hier entwickelt sich ein wahnsinniges Veränderungspotential. Und Unternehmen wie SAP, die sehr nah an den Giganten der globalen Ökonomie dran sind, haben hier enorme Wettbewerbsvorteile.
Fragt man sich, was diese neuen Trends zusammenhält, so landet man beim Informationsraum. Alle diese Entwicklungen machen dann einen Sinn, wenn man sie aus der Perspektive einer neuartigen sozialen Handlungsebene versteht, in der alle digitalisierbaren Informationen mit der Kommunikation zwischen Millionen von Menschen zusammengebracht werden. Die These ist: Weil die Innovationen im Silicon Valley, bewusst oder nicht, von diesem Paradigma her gedacht werden, haben sie bei allen Unterschieden eine bestimmte Richtung und sind in ihrem Wesen auf radikale Veränderung ausgelegt, eben disruptiv.