„Traffic is a serious issue“ – Über die Entfernungen im Valley
Das Silicon Valley ist gerade deshalb so faszinierend, weil hier auf engem Raum die gesamte IT-Welt konzentriert ist. Hier findet sich nicht nur das Who is Who der großen IT Konzerne (und wirklich alle sind hier mit großen Niederlassungen vertreten), sondern tausende Start-Ups, die innovative Ideen und Geschäftsmodelle rasant voran treiben. Und darüber hinaus gibt es viele weitere, vielleicht auch schon etwas reifere IT-Unternehmen, die man in Deutschland wohl „Mittelstand“ nennen würde. Hunderttausende IT-Experten arbeiten so auf engem Raum miteinander, Netzwerke entstehen – und alles dreht sich um IT.
Diesen wirklich beeindruckenden Schmelztiegel der Welt-IT-Industrie bekommt man sehr anschaulich mit, wenn man durchs Valley fährt. Überall sieht man die Logos und die Bürogebäude der IT-Firmen. Man merkt dabei auch, dass das Valley eine Geschichte hat. Neben hochmodernen Campus-Gebäuden mit ihren Hochglanz-Fassaden sieht man durchaus auch Gebäude, die nicht ganz so futuristisch daher kommen und schon etwas älter sind. Um die unglaubliche Konzentration von IT-Firmen zu erleben, braucht man eigentlich nicht mal ins Auto zu steigen: Schon bei meinem morgendlichen Jogging durch die Hügel von Palo Alto komme ich, ohne Marathon-Distanzen zu überwinden, schnell mal an den Büros von SAP, HP, Cloudera und VMware vorbei.
Auto ist ein gutes Stichwort, denn diese Konzentration und Nähe hat natürlich auch ihre Schattenseiten, nämlich den horrenden Verkehr. Fast in allen unseren Interviews heißt es irgendwann im Gesprächsverlauf: „traffic is a serious issue“. Jeden Morgen und Abend schiebt sich eine riesige Blechkarawane im Stop&Go-Verkehr durch das Valley. Hunderttausende ITler müssen ja zu ihrem Arbeitsplatz. Auch wenn die Straßen hier extrem ausgebaut sind, führt das oft zu kilometerlangen Staus. Die eigentlich kurzen Distanzen können dann ganz schön lang werden – es ist nichts Besonderes für die 40 Meilen von Palo Alto nach San Francisco zweieinhalb Stunden Fahrzeit zu brauchen (im Selbstversuch getestet!). Der „traffic“ wird so zum Treiber für eine ausgeprägte Home-Office-Kultur in vielen Unternehmen. Um nicht Zeit in sinnlosen Staus zu verlieren, arbeitet man gleich von zu Hause oder versucht face-to-face Meetings so zu legen, dass man nicht in die Rush-Hour kommt.
Aber das Silicon Valley wäre nicht das Silicon Valley, wenn man für dieses Problem nicht auch nach wirklich disruptiven Lösungen suchen würde. Während die vielleicht nahe liegende Idee, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, scheinbar nicht als „next big thing“ eingeschätzt wird, wird hier vor allem über selbstfahrende Autos nachgedacht. Es ist kein Zufall, dass mit Apple, Google und Tesla drei wichtige Pioniere des autonomen Fahrens im Silicon Valley sitzen. Und ja: man sieht hier die Google cars wirklich. Neben der Technologie ist auch die Idee dahinter durchaus interessant: die Menschen sollen ihre Zeit nicht in Staus und am Steuer verschwenden, sondern in dieser Zeit – während ihr Auto selber fährt – lieber arbeiten, sich mit Kollegen vernetzen und vielleicht schon die nächste große Innovation voranbringen.